Zeit und Form (Seminar)

Leitung: Dr. Marita Tatari, Vertretungsprofessur Gegenwartsästhetik

 Donnerstag: 10.30-12:30                                                                                            

Erste Sitzung 31.03.22

Raum: 8.04.

 Jenseits der formalen Definition von Kunstgattungen und jenseits der Gegenüberstellung von Form und Materie hat Form in der Ästhetik noch einen anderen Sinn. Sie bezeichnet einen künstlerischen Vorgang, der als solcher in Erscheinung tritt. So wird Form prozessual und dynamisch verstanden. Sie hat damit eine eigene, selbstständige Zeit. Diese der Form eigene Zeit entsteht immer im Rahmen einer Epoche und der sie prägenden Zeitauffassung: der Zeitauffassung, die die Gegenwart der Kunstproduktion oder -rezeption bestimmt. Die Eigenzeit der Form steht im Verhältnis zu dieser anderen epochalen Zeit.    

Das Europa des 19. Jahrhunderts stellte sich die Zeit als Fortschritt einer Geschichte vor, die sich in der Entwicklung der Kunstformen widerspiegelte. Im 20. Jahrhundert geriet diese Zeitauffassung in die Krise. Sie wurde brüchig. Heute hat der Maßstab dieser Geschichtsauffassung seine Selbstverständlichkeit verloren. Der globalisierten, postkolonialen Gegenwart kommt nicht eine Zeit zu, sondern viele. Neue Zugänge zur Geschichte finden ihren Ausgangspunkt in der Gegenwart, während das Verständnis von Zukunft sich verändert. Darüber hinaus bringt die Klima- und Umweltkrise noch eine "tiefe Zeit" jenseits der menschlichen Skala zum Vorschein.

 Wir werden im Seminar das Verhältnis von Zeit und Form analysieren und das Thema im Licht der Bedingungen der Gegenwart betrachten. Wir werden Texte lesen und Beispiele zur Diskussion stellen. Im Rahmen des Seminars sind zwei gemeinsame Sitzungen mit dem Labor Aufführungspraxis Neue Musik vorgesehen, sowie zwei transdisziplinäre Begegnungen am Campus Gegenwart unter dem Stichwort „Momente“ und der Mitwirkung u.a. von Prof. Franziska Kötz, Christof Löser und Prof. Nurit Stark. 

 Eine Literaturliste wird zu Seminarbeginn bekanntgegeben.

  • Die Bereitschaft zu vorbereitender Lektüre ist Voraussetzung zur Teilnahme am Seminar.
  •  Wahlpflicht für alle Studiengänge der HMDK, für Studierende der ABK und der Merz Akademie.
  • Im BA Lehramt am Gymnasium im Bereich Bildungswiss. Musik für den Inhaltsbereich „Ästhetik“ ist das Seminar mit 3 ECTS-Punkten anrechenbar. Auch im MA Lehramt ist eine Anrechnung unter BiWi Musik möglich, wenn die behandelte Thematik Musikbezogen ist